Baumuntersuchungen
Wenn es nicht möglich ist die Bruch- und Standsicherheit eines Baumes abschließend visuell zu beurteilen, sind eingehende Untersuchungen erforderlich (FLL Baumkontrollrichtlinie 2020). Welches Untersuchungsverfahren eingesetzt werden muss, hängt von der jeweiligen Fragestellung ab.
Dabei setzen wir nur minimalinvasive Untersuchungsverfahren ein, welche dem aktuellen Stand von Technik und Wissenschaft entsprechen.
Bei der Analyse der gewonnenen Messergebnisse berücksichtigen wir immer die vor Ort herrschenden Windverhältnisse, denn jeder Baum und jeder Standort unterscheiden sich.
Bruchsicherheit
Die Bruchsicherheit ist die ausreichende Fähigkeit und Beschaffenheit eines Baumes, dem Bruch von Stamm- und Kronenteilen beim Einwirken von Lasten, z. B. Sturm zu widerstehen.
Standsicherheit
Die Standsicherheit beschreibt die ausreichende Verankerung des Baumes im Boden gegenüber Lasten, z. B. Sturm, Schnee und des Eigengewichtes.
Schalltomographie
Der Schalltomograph ist ein Messgerät zum Auffinden von Defekten in Bäumen mittels der Laufzeitmessung von Schallwellen. Die Schallgeschwindigkeit im Holz hängt vor allem vom E-Modul und der Dichte des Holzes ab. Fäulen verringern Dichte und E-Modul des Holzes und bewirken so eine verminderte Schallleitung. Höhlungen und Risse zwingen die Schallwellen auf Umwege, was sich durch eine längere Laufzeit messen lässt. Durch das erhaltene Tomogramm berechnen wir die Bruchsicherheit des Baumes. Dies erfolgt unter Einhaltung der ingenieurtechnischen Maßstäben geforderten Anforderungen.
Elektrische Widerstandstomographie
Der Schalltomograph analysiert mit Hilfe von Schallimpulsen den biomechanischen Zustand des Holzes. Dabei können z. B. Risse im Holzkörper oder Naßkerne natürliche Schallbarrieren darstellen, welche eine Interpretation des Tomogrammes erschweren können. Durch die Überlagerung von Schalltomogrammen mit elektrischen Widerstandstomorammen kann in vielen Fällen die Tragfähigkeit des Holzkörpers genauer bestimmt werden. Die elektrische Widerstandstomographie analysiert den elektrischen Widerstand [Ohm*Meter] des Holzes und reagiert weniger sensibel auf Risse im Holzkörper. Der elektrische Widerstand im Holzkörper wird vorwiegend vom Wassergehalt, Zellstruktur und der Ionenkonzentration bestimmt. Durch das erhaltene elektrische Widerstandstomogramm in Kombination mit dem Schalltomogramm berechnen wir die Bruchsicherheit des Baumes.
Zugversuche (Elasto- Inclinomethode)
Beim Zugversuch werden über ein in der Baumkrone fixiertes Seil mit der Zeit schrittweise steigende und vordefinierte Zugkräfte in den Stamm eingeleitet. Die eingeleitete Zugkraft und der Seilwinkel werden von einem Kraftmesser (Forcemeter) registriert und mitgeschrieben, während die Reaktion des Baumes – eine Längenänderung in seiner Randfaser sowie die Neigung seiner Wurzelplatte – von Elastometern und Neigungssensoren in Abhängigkeit der Zugkraft aufgezeichnet werden. Hierbei dient die Längenänderung in der Randfaser bei der Bestimmung der Bruchsicherheit und die Neigung der Wurzelplatte bei der Bestimmung der Standsicherheit.
Die Untersuchung erfolgt in drei aufeinander folgenden Arbeitsschritten:
Zugversuch: Messung der Baumreaktion auf definierte statische Belastungen mit Hilfe hochauflösenden Messgeräten.
Windlastanalyse: Diese ermöglicht es unter Berücksichtigung bestimmter Eigenschaften des Baumes und seiner Umgebung, genaue Rückschlüsse auf die für den Baum zu erwartende maximale Windbelastung zu treffen.
Auswertung: Durch die Auswertung des Zugversuchs und der Windlastanalyse kann man die Stand- und Bruchfestigkeit empirisch ermitteln und eine sehr verlässliche Aussage zur Stand- und Bruchsicherheit treffen.
Die verwendete Untersuchungsmethode ist in den Baumuntersuchungsrichtlinien (FLL 2013) beschrieben und basiert auf den Windlastnormen der DIN EU 1991-1-4:2010-12, DIN 1991-1-4 Berichtigung 1 und DIN 1991-1-4/NA:2010-12. Eingehender wurden die Grundlagen und einige biomechanische Mechanismen von Wessolly & Erb (1998, 2014), Sinn (2003), Detter & Rust (2013) und zur Windlastanalyse von Esche et al. (2018) behandelt.
Zur Bestimmung der Bruchsicherheit werden die aufgezeichneten Messdaten der Längenänderung mit Hilfe des Elastizitätsmoduls für grünes Holz bis zur theoretischen Versagensgrenze – der Grenzdehnung – hochgerechnet, mit der nach der Windlastanalyse zu erwartender Windlast in Relation gesetzt und verglichen. Das Elastizitätsmodul für grüne Hölzer ist eine baumartspezifische Materialkenngröße und wird zur Bestimmung der Versagensgrenze dem Stuttgarter Festigkeitskatalog (nach Wessolly & Erb 2014) entnommen.
Bei der Bestimmung der Standsicherheit wird die sog. verallgemeinerte Kippkurve nach Wessolly (2014) als Referenz herangezogen. Die verallgemeinerte Kippkurve nach Wessolly (2014) zeigt das typische Neigungsverhalten von Bäumen und gilt als empirisch gesichert. Der Verlauf dieser Neigungskurve ermöglicht eine schrittweise Extrapolation von geringen Neigungsgraden aus dem Zugversuch auf die Last, die zum Kippen des untersuchten Baums erforderlich wäre. Die Standsicherheit wird im Vergleich der empirisch bestimmten Kipplast und der zu erwartenden Windlast ermittelt.
Quellen:
Detter, A.; Rust, S., 2013: Aktuelle Untersuchungsergebnisse zu Zugversuchen. In: D. Dujesiefken (Hrsg): Jahrbuch der Baumpflege 2013, Haymarket Media GmbH & Co. KG, Braunschweig, S. 87-100.
Esche et al., S., 2018: Experimentelle Überprüfung der Windlastanalyse für statische Zugversuche. In: D. Dujesiefken (Hrsg): Jahrbuch der Baumpflege 2018, Haymarket Media GmbH & Co. KG, Braunschweig, S. 229 – 236.
Sinn, G., 2003: Baumstatik, Stand- und Bruchsicherheit von Bäumen an Straßen, in Parks und in der freien Landschaft, Thalacker Medien Braunschweig. S. 184.
Wessolly, L., Erb, M., 2014: Handbuch der Baumstatik. Patzer Verlag, Berlin-Hannover, S. 270